Souvenirs und andere Relikte.

Villa Eugenia - Hechingen

09.06. 24  bis 21.07.24

Villa Eugenia

Zollernstraße 10

72379 Hechingen

Vernissage: Sonntag, 09. Juni 2024 um 14 Uhr

Begrüßung: Uwe Bürkle

Einführung: Rudolf Greiner

Ausstellungsdauer: 09. Juni – 21. Juli 2024

Öffnungszeiten: Sonntags 14 – 17 Uhr

Serge Le Goff ist in Paris geboren. Er kam nach dem Studium der Modernen Französischen Literaturwissenschaft durch den Militärdienst 1975 in die Universitätsstadt Tübingen, wo sein künstlerisches Leben begann.

Gabriele Eberspächer ist bei Stuttgart geboren und studierte von 1984 – 88 an der Freien Kunstschule Nürtingen. Es folgte eine Ausbildung als Goldschmiedin. 1989 lernten die beiden sich kennen. Jeder hatte bereits zuvor seine individuelle künstlerische Richtung eingeschlagen. Inzwischen realisieren sie auch gemeinsame Installationen, bei denen Licht und Malerei auf besondere Weise aufeinandertreffen. Im gemeinsamen Kuratieren von Kunstevents findet ihre Zusammenarbeit eine weitere Bereicherung. In einem stets offenen Diskurs finden sie Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte.

Gabriele Eberspächer

Alte Familienfotos, Relikte der Vergangenheit, dienen der Künstlerin aus Ausgangsbasis für ihre Werkserie zum Thema „Erinnerung“. Ihre Mischtechniken entstehen in einem langsamen, vielschichtigen, assoziativen Arbeitsprozess, bei dem malerische, zeichnerische sowie collagierende Arbeitstechniken zum Einsatz kommen. „Wenn wir uns an früher erinnern, wie erinnern wir uns dann? Wie entsteht unser Bild von unserem früheren Selbst, von den Orten, an denen wir uns aufhielten, von Kindheitserlebnissen, von Ereignissen, von den Gefühlen, die uns damals umtrieben?“ - Die Künstlerin übersetzt ihre Erinnerungen beim Betrachten der alten Fotos in haptisch-manuell erstellte Bilder. Ihre Werkserie kann auch als Versuchsreihe gelesen werden, den Prozess der „Erinnerungsarbeit“ sichtbar zu machen. 

www.gabriele-eberspaecher.de

Serge Le Goff

Die Assemblagen und Leuchtobjekte des Künstlers setzen sich aus einer Kombination verschiedenster Materialien und Gegenstände zusammen. Zufällige Fundstücke, Überbleibsel früherer Kunstaktionen, ausgemusterte Gebrauchsgegenstände und neue Konsumwaren treffen in Le Goffs Arbeiten unmittelbar aufeinander. Holz, Metall, Kunststoff, Kabel, Elektrobauteile und selbst Edelsteine gehen eine Verbindung ein und verwandeln sich in scheinbar unsinnige Objekte, die manchmal eine konkrete Funktion haben. Serge Le Goffs Kleinplastiken wirken oft bizarr, skurril oder absurd. Jedes Element einer Komposition kann Erinnerungen wecken, aber zusammengebracht vergisst man ihre Vergangenheit und betrachtet nur die Gegenwart. Die Relikte sind dadurch keine Relikte mehr.

Mehr Licht!“

Gabriele Eberspächer bespielt mit ihren Mischtechniken und Collagen die Wände während Serge Le Goff mit seinen Lichtinstallationen, Lichtobjekten und Assemblagen den Raum bespielt. Beide arbeiten und leben seit 30 Jahren zusammen in Tübingen. Mit zahlreichen Ausstellungen sind sie über die Region hinaus bekannt geworden. Trotz der Gegensätze verbinden sich ihre Arbeiten in der Ausstellung zu einer widersprüchlichen Harmonie. Das liegt an deren besonderen Einstellungen gegenüber herkömmlichen Kunstvorstellungen. Ihre Kunst will in erster Linie nicht gefallen, sondern Erkenntnisse vermitteln.

Mehr Licht - und zwar elektrisches Licht - bringt Serge Le Goff in seine Kunstwerke ein. Dan Flavin hatte als erster Künstler 1963 eine Neonröhre zur Kunst erklärt und Marcel Duchamp 1917 ein Pissoirbecken als ‚Springbrunnen‘ ins Museum gestellt. Beide Möglichkeiten, das „Ready Made“ und das künstlich erzeugte Licht, werden in Serge Le Goffs Objekten zu Assemblagen verbunden.

Licht an Licht aus, was in Le Goffs Objekten immer möglich ist, führt zu verblüffenden unterschiedlichen Welten und Aussagen. Dadurch sind sie oftmals skurril, absurd, seltsam und lächerlich. Sie reißen das Gemüt des Betrachters hin und her. Zwischen Anerkennung und Ablehnung lassen sie ihn nicht zur Ruhe kommen. Dabei benutzen seine Werke doch nichts anderes als Dinge aus unserer technisierten und zivilisierten Gegenwart. Unterschwellig wirken sie bedrohlich.

Gabriele Eberspächers Bilder haben ebenfalls etwas von Assemblagen, obwohl sie diese selbst als Mischtechniken und Collagen bezeichnet. Sie benutzt alle gängigen und möglichen Farben bis hin zu Feinlinern, Ölkreiden, Rötelstiften, und sie collagiert manchmal Metalldrähte und andere Gegenstände in und auf eine Arbeit. Der Malgrund kann aus Papier, aus Stoff, aus Tapeten und Tischtüchern bestehen. 

Auch hier Licht an, Licht aus! Ein Bild unter Normallicht oder Schwarzlicht betrachtet, offenbart andere Schwerpunkte, und ehemalige Sichtbarkeiten verschwinden. Mehr Licht möchte sie durch ihre Arbeiten in das Dunkel von Erinnerungen bringen. Oftmals tauchen Bildnisse von Kindern in ihren Arbeiten auf. Diese sind wohl als wechselnde Erinnerungen an ihre eigene Kindheit zu lesen. Mit ihren Werken ist sie auf der Spur und bei der Analyse des menschlichen Vermögens Erinnerungen zu speichern und bildlich zu fassen – und gleichzeitig deren Veränderungen im Laufe der Zeit darzustellen. „Ihr naht euch wieder schwankende Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt“ (Goethe).

Eberspächer knipst Figuren an und auch wieder aus. Das Entstehen und Vergehen einer Figur bzw. einer Erinnerung innerhalb einer Zeitschiene oder in Bruchteilen einer zersplitterten Zeit wird erfahrbar. So ungewohnt ihr künstlerischer Ansatz ist, so spannend wird er, wenn man sich auf ihre Zeitreisen einlässt.

Rudolf Greiner, im Juni 2024